Buchrezension "Die chinesische Hausapotheke" von Georg Weidinger

Georg Weidinger, Die chinesische Hausapotheke, Goldmann Verlag

Es gibt ein neues Buch vom Wiener TCM-Arzt Georg Weidinger. Darauf habe ich mich aus zwei Gründen schon gefreut: erstens, weil mir sein letztes Buch "Die Heilung der Mitte" sehr gut gefallen hat, und zweitens, weil ich vor rund 10 Jahren einmal seine Patientin war und einfach neugierig war.

Worum geht es?

"Die chinesische Hausapotheke" soll ein praktischer Ratgeber zur Selbstanwendung sein. In seinem Vorwort richtet sich Georg Weidinger sowohl an ÄrztInnen als Zielgruppe als auch an PatientInnen. Diese sollen nach Lektüre des Buches in der Lage sein, sich selbst so zu diagnostizieren, dass sie die Weidinger-Kräutermischungen alleine anwenden können.

Diese 25 Mischungen aus chinesischen Kräutern sind das Zentrum des Buches. Das entsprechende Kapitel ("Therapie") beginnt aber erst auf Seite 375 (von 608).

Um also zu den konkreten Mischungen und ihren Anwendungen zu kommen, musst du dich zuerst durch eine Menge TCM-Theorie arbeiten.

Teil 1: TCM-Crashkurs

In rund 70 Seiten erklärt Weidinger zuerst die Fachbegriffe der TCM: Yin und Yang, die 5 Elemente, Jing (Essenz), Qi und Jin-Ye (Körperflüssigkeiten).

Danach geht es um das chinesische Organsystem – welche Funktionen haben Milz, Leber und Co. nach TCM im Körper? Hier erfährst du zum Beispiel, dass Augenprobleme und brüchige Fingernägel zur Leber gehören.

Am besten gefällt mir im Crashkurs das Kapitel über die "fünf Geister". Hier findet Weidinger schöne Vergleiche: der Hun (Geist der Leber) ist der wilde Rocker auf seiner Harley Davidson und der Po (Geist der Lunge) der sensible Hippie. Dem entsprechen die Emotionen Aggression (Leber) und der Kummer bzw. die Unsicherheit (Lunge).

Im letzten Kapitel des Crashkurses geht es um die Milz und ihre zentrale Rolle bei der Entstehung von Qi- und Blutmangel, Feuchtigkeit und Schleim sowie anderen Ungleichgewichten.

Mit 10 konkreten Tipps zu Ernährung und Lebensstil (eine Zusammenfassung der "Heilung der Mitte") schließt der TCM-Crashkurs ab. Beispiel: wenig tierisches Eiweiß essen, vor allem wenige Milchprodukte.

Teil 2: Diagnostik

Das ist das umfangreichste Kapitel im Buch und umfasst rund 270 Seiten.

Hier geht es ans Eingemachte der TCM-Theorie mit allem, was man für eine Diagnose nach TCM braucht: Krankheitsdefinition und -ursachen, die 8 Prinzipien (innen-außen, Fülle-Mangel...), Kälte- und Wärmeerkrankungen etc.

Nach den fünf Elementen geordnet listet Weidinger die wichtigsten diagnostischen Fragen auf, die Hinweise auf Probleme in den entsprechenden Organen geben.

Beispiel: Fragen nach dem Schlaf beziehen sich auf das Element Feuer, also unser Herz. Probleme mit dem Einschlafen zeigen einen Herz-Blut-Mangel.

Georg Weidinger gibt uns in diesem Fragen-Kapitel Einblicke in seine Praxis, was sehr interessant ist! Wenn du TCM-EinsteigerIn bist und dich selbst diagnostizieren willst, eignen sich diese Fragen meiner Meinung nach am besten (S. 234-286).

Zum Abschluss des Diagnostik-Teils führt Weidinger in die Puls- und Zungendiagnose ein. Die Pulsdiagnose gilt als einer der am schwersten zu lernenden Bereiche der TCM. Weidinger gelingt es, sie möglichst einfach zu erklären. Trotzdem glaube ich nicht, dass sich nach dem Lesen dieses Kapitels TCM-Laien selbst den Puls oder die Zunge diagnostizieren können.

Teil 3: Therapie

Der Kernteil des Buches umfasst rund 190 Seiten und stellt 25 TCM-Kräutermischungen vor. Alle verwendeten Kräuter sind rezeptfrei erhältlich.

Geordnet sind sie teilweise nach Symptomen. Den Beginn machen Erkältungskrankheiten und grippale Infekte. Es geht weiter mit Infekt-Prophylaxe und Allergien, Magenbeschwerden, Neurodermitis und Harnwegsinfekten.

Dazwischen gibt es Mischungen zur Stärkung von Qi und Blut, z.B. fürs Wochenbett. Andere Kräutermischungen helfen bei Stress (Leber-Wind) oder fördern den Schlaf.

Die Kapiteleinteilung in diesem Teil ist meiner Meinung nach etwas unübersichtlich. Einerseits wird nach Symptomen geordnet (z.B. Grippe), andererseits nach Syndromen (z.B. Feuchte Hitze) und nach Organen (Leber, Herz).

Das schadet allerdings nicht der Praxistauglichkeit, um die sich Weidinger wirklich sehr bemüht hat.

Quintessenz

Die Mission von Georg Weidinger ist, die Traditionelle Chinesische Medizin bekannter zu machen und ihr ihren exotischen und komplizierten Ruf zu nehmen. Er will vor allem auch SchulmedizinerInnen ermutigen, die TCM-Kräuter statt starker Medikamente (wie Antibiotika) einzusetzen, da ihre Wirkung in vielen Studien schon längst bewiesen ist. TCM-Kräuter wirken sanft und haben fast keine Nebenwirkungen.

Weidingers Einsatz für dieses Ziel finde ich bewundernswert und hoffe, dass sein Buch wirklich dazu beiträgt, die TCM und ihre Kräutermedizin weiter zu verbreiten.

Mir scheint jedoch die Zielgruppe des Buches zu weit gefasst – sowohl TCM-Laien als auch TCM-ExpertInnen werden angesprochen. Dabei kommen die Laien meiner Meinung nach zu kurz. Georg Weidinger setzt einfach zu viele Kenntnisse voraus.

Wenn du dich also als EinsteigerIn mit der TCM-Materie befassen willst, solltest du bereit sein, dir wirklich Zeit für das Buch zu nehmen. Mache dich auf geistige Arbeit gefasst!

Für TCM-Fachleute ist das Buch eine sehr gute Wiederholung der TCM-Theorie und bietet neue Anregungen. Georg Weidinger erklärt verständlich und unterhaltsam.

Ich habe durch dieses Buch einiges Neues gelernt und besonders die wichtigsten TCM-Kräuter besser kennengelernt und verstanden.

Die 25 Weidinger-Kräutermischungen für die verschiedensten Beschwerden sind übrigens in mehreren österreichischen und deutschen Apotheken erhältlich (ohne Rezept). Auf seiner Website stellt Georg Weidinger eine Liste aller Apotheken zur Verfügung.

Erwähnenswert ist auch der günstige Preis: rund 10 Euro für ein derart umfassendes und informatives Buch ist wirklich wenig. Erhältlich in den meisten Buchhandlungen.

Aktuelle Info Dezember 2018:

Hier findest du mein Interview mit Georg Weidinger zu seinem neuen Buch "Der goldene Weg der Mitte" (Video). Darin spricht er u.a. über die wichtige Rolle von Gluten und was er seinen PatientInnen hier empfiehlt.

Kommentare

Hallo, liebe Katharina,
ich habe mkr auch die chinesische Kräuterapotheke gekauft. Das Kochbuch auch. Das deine für die Leber hab ich auch.
Anfangs dachte ich 22 und 24, wären super, abrr je länger ich studiere, umso unsicherer werde ich. 12 nehme ich noch dazu. Das darf gemischt werden. Aber das "Kleine Bupleurum Dekot" klingt auch passend.
Für mich schwer zu entscheiden. Aber ich bin trotzdem froh, dass es dieses Buch gibt.
Gerade, wenn die Schulmedizin keine Idee mehr hat.
Hoffentlich finden viele Menschen den Weg, sich besser um sich selbst zu kümmern.
So wie Herr Weidinger sagt: 80% der Gesundung basiert auf der Lebensführung, 10% auf den Kräutermischungen, 10% Akupuntur
Liebe Grüße

Lieber Harald.

Es ist schön zu lesen, dass du die Verantwortung für dich übernimmst. Ich denke mir, dass es oft auch ganz ratsam ist, mit einem/ einer TCM Arzt/Ärztin Rücksprache zu halten. Das gilt vorallem, wenn du dir nicht sicher bist!

Ich wünsche dir alles Liebe,
Marina (Assistentin von Katharina)

Bild des Benutzers Marina S.

Hallo Katharina,
kannst Du mir eventuell folgende Frage beantworten - kann ich von den Weidinger Mischungen auch 2 gleichzeitig nehmen? In meinem Fall Nr. 18 und Nr. 22
Vielen Dank und liebe Grüße
Karin

Liebe Karin,
danke für deinen Kommentar!
Hmm, das weiß ich nicht. Ich würde eher eine nehmen, und zu einem anderen Zeitpunkt eine andere.
Liebe Grüße,
Katharina

Bild des Benutzers Katharina

Hallo Katharina,

habe mir auch aufgrund deiner sehr treffenden Rezension hier das Buch von Dr. Weidinger gekauft. Nachdem ich mich da inzwischen auch weitestgehend durchgearbeitet habe und ich mir in Kürze auch eine Kräuter-Mischung von der Apotheke bestellen möchte, hätte ich zuvor
noch eine Frage...vielleicht kannst du mir da ja weiterhelfen. Und zwar empfiehlt Dr. Weidinger bei seinen Rezepturen fast immer, dass man noch etwas frischen Ingwer, evtl. auch
Muskatnuss oder Malzzucker (eher bei Kindern) hinzugeben soll. Da ich nichts von alledem gut
vertrage, würde mich interessieren, ob man das auch einfach weglassen kann, ohne dass
dadurch die Wirksamkeit der Kräuter verringert wird?

Liebe Grüße
Nadine

Liebe Nadine,
danke für deinen Kommentar!
Die Antwort ist Ja, ich lasse es auch immer weg. :)
Liebe Grüße,
Katharina

Bild des Benutzers Katharina

Hallo Katharina,
ich kann noch das »Handbuch Traditionelle Chinesische Medizin« empfehlen, umfassend und praxisnah: Akupunktur, Akupressur, 5-Elemente-Ernährung, Kräuter-Therapie, Moxibustion, Xi Gong, Tuina - alle Themen kurz und übersichtlich erklärt. Haug Verlag ISBN 978-3-8304-2076-7, Autoren Dr. med. Hans-Ulrich Hecker, Dr. med. Elmar Thomas Peuker, Dr. med. Angelika Steveling, Heidolre Kluge.
Preis 18,98 EUR

http://www.amazon.de/Handbuch-Traditionelle-Chinesische-Medizin-5-Elemen...

Liebe Margarete,
vielen Dank für deinen Tipp! Klingt auch sehr interessant und ich kenne es noch nicht.
Liebe Grüße,
Katharina

Bild des Benutzers Katharina

Hallo Katharina,
ich empfehle das Buch von Dr. Antonie Danz aus dem TRIAS Verlag."Ich bleibe schlank"
das Kochbuch.110 Rezepte für ein leichteres Leben ab 40.
Leider ist der Titel ein Fehlgriff. Frau Danz erklärt verständlich die Ernährung nach TCM und dann kommen viele leckere Rezepte.Ich habe schon etliches nachgekocht und bin begeistert.
Schade, dass man unter dem Titel eher einem reißerischen Diätratgeber vermutet.
Liebe Grüße Annelie

Liebe Annelie,
das klingt sehr interessant, danke für den Tipp! :)
Liebe Grüße,
Katharina

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