Gastartikel: Beikost - von Brei und Beziehung am Esstisch (von Nadine Hilmar)

Ein Vater füttert sein Baby (Foto, Quelle: Nadine Hilmar)

Ich freue mich sehr über diesen Gastartikel von Nadine Hilmar, deren wundervollen Blog buntraum.at - inspirierend fabulierende Mama ich immer wieder mit viel Freude lese. Nadine ist Familienbegleiterin und Spielraumleiterin und hat sich auf Achtsamkeit in der Familie spezialisiert (dazu gibt es auch Onlinekurse). Darum geht es auch in diesem Artikel: Wie kannst du Achtsamkeit in den Beikost-Start bringen und dein Baby bestmöglich unterstützen?

Mit dem Beikostbeginn fängt für viele Familien eine komplett neue und aufregende Zeit an. Doch so aufregend der Beginn des Essens auch ist, so unüberschaubar und diffus sind auch die Meinungen zu der Thematik. Das beginnt schon mit den Altersangaben. Die WHO rät hier ab 6 Monaten mit der Beikost zu beginnen, manche Kinderärzte drängen dennoch schon nach 4 Monaten auf die Zufütterung normaler Kost.

Eltern sind verunsichert und letztendlich ist es doch das Baby selbst, dass durch klare Zeichen anzeigt, wann es bereit ist anderes, als Milch zu sich zu nehmen. Es reckt sich nach den Speisen der Eltern oder Geschwister, es macht zunehmend Schmatzgeräusche beim Essen der anderen, es kann auf dem Schoß der Eltern gut sitzen.

Als nächstes stellen sich viele Eltern die Frage ob sie ihrem Kind klassisch Brei anbieten oder direkt mit gekochten Stücken Gemüse beginnen sollen. Das ist letztendlich eine ganz inpiduelle Entscheidung, denn sowohl Brei als auch gekochte Nahrung sind für Babys zu Beginn gut aufzunehmen und zu verdauen. Da hilft es zu schauen, was das Baby selbst mag und woran es Freude hat.

Aber das Zufüttern ist so viel mehr als nur die Fütterung von normaler Nahrung über die Muttermilch oder Flaschenmilch hinaus.

Es ist eine neue Form der Kontaktaufnahme und der Beziehung zwischen Eltern und Kind. Für die Eltern öffnen sich neue Welten und sie entdecken ihr Kind neu. Was mag es, was mag es nicht. Wie äußert es sich und wie gehe ich darauf ein?

Für Kinder bedeutet der Beikostbeginn ein komplett neues Universum. Neuer Geschmack wandert in ihren Mund, Kauen und Schlucken gehören nun zur Nahrungsaufnahme hinzu. Dinge fassen sich neuartig an. Hungergefühl und Sattsein werden etwas durcheinandergebracht durch das Aufnehmen von fester Nahrung.

Das Kind erlebt sich vor allem aber eines: selbstwirksam. Es kann entscheiden, was ihm schmeckt und was nicht. Es kann angeben, wann es genug ist. Es darf kosten und probieren, ablehnen und mehr verlangen. Wenn es all das darf.

Deshalb ist es egal, ob ein Baby Brei oder feste Nahrung bekommt. Viel wichtiger ist es, dass Eltern sich Zeit nehmen für diese Mahlzeiten mit dem Kind. Dass sie ihre Aufmerksamkeit auf das Kind richten und seine Kommunikation wahrnehmen und verstehen lernen. Und vor allem: dass sie die Entscheidungen akzeptieren. Wenn etwas nicht schmeckt. Wenn es etwas nicht probieren will. Wenn es angibt satt zu sein.

Die Breifütterung wird oft kritisiert dafür, dass Kinder hier nicht selbstbestimmt essen können. Dass sie nicht sehen, was sie essen.

Ich halte das nicht für allzu problematisch, solange ich dem Kind erkläre, was es bekommt. Was eine Karotte ist oder eine Banane, lernt ein Kind früh genug. Wichtig ist nur, dass wir das Kind probieren lassen und vor allem, dass wir den Löffel nicht in den Mund schieben um es "satt zu bekommen“.

Spiele wie das bekannte Flugzeugspiel oder „Einen Löffel für Oma.“ sollten vermieden werden, denn Beikost heißt Beikost, weil es die Zufütterung zur Milchnahrung ist und nicht das Ersetzen dieser von heute auf morgen.

Wie viel ein Kind also ist, sollte unbedingt das Kind bestimmen.

Nur so kann es ein gutes Sättigungsgefühl erfahren, was unglaublich wichtig ist für sein ganzes Leben.

Ein Kind, dem immer vermittelt wird, es würde nicht genug essen und es kann doch „von dem bisschen“ noch nicht satt sein, wird sein eigenes Gefühl bald ignorieren. Es scheint falsch zu sein, also höre ich auf das, was die Eltern sagen.

Wie wichtig das Sättigungsgefühl ist, wissen wir Erwachsenen zu gut. Wir essen oft über unseren Appetit hinaus, wir haben gelernt aufzuessen und nehmen viel zu viel auf. Nicht selten haben wir uns überessen und bereuen das im Nachhinein, merken es aber mittendrin gar nicht.

Ein Kind muss nicht aufessen. Egal wieviel es auf dem Teller lässt - „die armen Kinder in Afrika" bekommen dadurch nicht mehr oder weniger zu essen.

Und wenn mein Kind regelmässig Essen übrig lässt, dann zeigt mir das, dass es momentan weniger verträgt. Das Essverhalten der Kinder ändert sich darüber hinaus ständig. Kinder wachsen in Schüben und so gibt es Phasen, in denen sie wortwörtlich schaufeln und Phasen, in denen wir glauben sie müssten eigentlich verhungern. Tatsächlich ist es aber so, dass Kinder, die von Anfang an ein eigenes Sättigungsgefühl erlernt und erfahren haben, deutlich sagen, wann sie Hunger haben oder eben nicht.

Auf die Signale des Kindes zu hören hilft auch, dass das Essen Freude macht.

Und das halte ich für ebenso wichtig. Die Mahlzeiten sind in Familien häufig die wenigen Momente im Alltag, an dem alle zusammenkommen. Das sollte die Zeit der gemeinsamen Freude und Erheiterung sein. Das heißt nicht, dass das Kind endlos mit dem Essen herummanschen und spielen darf. Aber wir sollten auch lachen können.

Wir sollten als Eltern mit dem Fokus beim Essen sein, am Tisch und nicht in Gespräche mit anderen verwickelt. Wir sollten uns Zeit nehmen für diese Momente.

Das kann im übrigen eine gute Übung sein auch für unser eigenes Essverhalten. Wir essen häufig zwischendurch, viel zu schnell und zu viel auf einmal. Wir sind mit den Gedanken schon drei Dinge weiter oder halb im Büro bei der ersten Besprechung am Morgen. Mit den Kindern kommt wieder ein anderes Tempo an den Tisch. Lassen wir uns ein wenig davon treiben und mitreißen. Es wird uns gut tun.

Wie wichtig die Beziehung am Esstisch untereinander ist, merkt man oft, wenn Kinder beim Kindergarteneintritt dort nicht essen wollen. Das bedeutet nicht, dass ihnen das Essen dort nicht schmeckt, sondern dass sie noch kein ausreichendes Vertrauen zu den PädagogInnen haben und sich nicht wohl genug fühlen um zu artikulieren: Das schmeckt mir, das schmeckt mir nicht. Ich möchte mehr oder ich bin satt.

Deshalb sollte das Essen ein eigener Teil der Eingewöhnung sein, bei dem die Eltern noch mit einbezogen werden, bis das Kind sich sicher genug fühlt. Doch auch daheim gibt es solche Phasen. Wenn es Spannungen gibt oder die Eltern gestresst oder genervt sind, führt das oft dazu, dass Kinder weniger essen.

Umso wichtiger ist es, dass wir uns für den Beikostbeginn Zeit und Ruhe nehmen, dass wir vertrauen, dass unsere Kinder genug Nahrung bekommen - egal wie die aussieht.

Wir sollten keinen Stress hinsichtlich des Abstillens oder des Abstellens der Flaschennahrung haben und keine Erwartungen hinsichtlich besseren Schlafes oder Gewichtszunahmen. Solche entsprechenden Problematiken sollten dringend im Vorfeld geklärt mit Menschen geklärt oder ausgeräumt werden, die sich damit auskennen und nicht mit drei Müttern am Spielplatz.

Denn letztendlich gilt beim Essen was immer gilt: "Jedes Kind ist anders. Jeden Tag." (Lienhard Valentin)

Und jetzt freuen uns Nadine und ich (Katharina), wenn du uns einen Kommentar dazu schreibst! Wie sind deine Erfahrungen und Gedanken zum Thema Beikost und Achtsamkeit? Gerne antwortet Nadine auch auf Fragen, die du dazu hast.

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Kommentare

Liebe Katrin,
es ist leider oft so, dass wir vor allem durch Kommentare von außen verunsichert werden in dem, was wir tun, selbst wenn wir dazu stehen.
Ich würde hier erst einmal zurückfragen: Was genau hat denn dazu geführt, dass du angespannter geworden bist? Dass sie weniger ist und mehr stillt oder die Kommentare von außen? Was war zuerst? Die Kommentare kann man ignorieren, wenn man selbst überzeugt ist, aber mir scheint du bist unsicher. Prinzipiell ist es kein Problem ein Kind mit einem Jahr noch großteils zu stillen, wenn sie sich sonst normal entwickelt und ihr beim Stillen gemeinsam auch wirklich beide noch Freude empfindet. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es mich dann mit 1,5Jahren schon sehr gestört hat und da half nur, dass ich konsequent das Stillen reduziert habe. Da hat mich einfach gestört, dass sie nichts von dem isst, was ich koche und dass sie nahrungsmässig noch so an mir hängt. Wie gesagt - andere Mütter sind da anders und deshalb ist es wichtig, dass du für dich einmal herausfindest, was du noch möchtest und was genau dich stört. Kommentare von außen würde ich nur beachten, wenn es zu Mangelerscheinungen oder sonstigen Problemen kommt.
Liebe Grüße und gern kannst du dich noch melden, wenn du das genauer anschauen möchtest. Nadine

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